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Zwiehof-Wohnhaus aus Resten (51 a), "Marosenlehen"

Drei Dinge können Sie in diesem Exponat-Gebäude erleben: in erster Linie die in Teilen erhaltene originale Ausstattung am ursprünglichen Platz; ergänzend dazu Ausstellungseinheiten zu hausspezifischen Themen, etwa zur Geschichte der Bewohnerinnen und Bewohner sowie zum geschichtsträchtigen Standort in der Nähe von Obersalzberg; und schließlich Einblicke in die wissenschaftliche und konservatorische Arbeit des Freilichtmuseums.

Das Wohnhaus des Marosenlehens wirft mit seiner individuellen Geschichte und seinen lokaltypischen Besonderheiten ein neues Schlaglicht auf ländliches Leben, Wohnen und Arbeiten in der Vergangenheit. Darüber hinaus vervollständigt das kleine historische Häuschen das Ensemble „Berchtesgadener Zwiehof“ und schließt damit eine Lücke im Freilichtmuseum Glentleiten.

Das Ensemble Berchtesgadener Zwiehof

Steile Hanglagen und steiniges Terrain erschwerten in alpinen Regionen den Bau großer Bauernhäuser, in denen Mensch, Vieh, Getreide und Viehfutter unter einem Dach untergebracht werden konnten. Im Berchtesgadener Land hat sich deshalb als typische Hofform der „Zwiehof“ herausgebildet: Hier sind die einzelnen Funktionen eines Bauernhofs auf mehrere Gebäude verteilt. Die ortstypische Bezeichnung „Zwiehof“ verweist auf die beiden Hauptgebäude, das Wohnhaus mit Feuerstelle, Wohnstube und (Vorrats-)Kammern sowie den Stadel mit integriertem Stall. Je nach Hofgröße konnten weitere Nebengebäude hinzukommen, etwa Backofen, Getreidespeicher, Flachsbrechhütte oder eine eigene Hofmühle.

Das Freilichtmuseum Glentleiten präsentiert bereits in unmittelbarer Nähe zueinander historische Zwiehofbauten aus verschiedenen Orten und von verschiedenen Anwesen, nämlich den stattlichen Stallstadel und den Kornkasten vom Mösler-Lehen (Gemeinde Ramsau) sowie die Hofmühle des Unterlandtal-Lehens (Gemeinde Berchtesgaden). Mit dem Wiederaufbau des Wohnhauses vom Marosen-Lehen (Gemeinde Berchtesgaden) wird dieses Ensemble nun komplettiert.


Marosen-Lehen 1930er/1940er Jahre, bestehend aus Wohnhaus und Stallstadel
Marosen-Lehen 1930er/1940er Jahre, bestehend aus Wohnhaus und Stallstadel

Das Wohnhaus vom Marosenlehen

Das Wohnhaus des Marosenlehens zählt zu den bisher ältesten datierten Blockbau-Wohnhäusern in Oberbayern. Die auf der Firstpfette eingeschnitzte Jahreszahl 1592 konnte durch die Methode der Dendrochronologie bestätigt werden: Das Bauholz war im Winter 1591 gefällt worden. Dieser frühen Bauzeit entsprechend besitzt das Haus noch kein ausgebautes Obergeschoss, sondern nur ein Dachgeschoss mit niedrigem Kniestock. Die gemauerte Rauchküche mit Tonnengewölbe und Deutschem Schlot wurde vermutlich im späten 17. Jahrhundert eingebaut.

Archivalisch lässt sich die Geschichte des Marosen- oder Mitterbernegglehens bis 1387 zurückverfolgen.

Die Erträge der Landwirtschaft reichten hier in der Regel nicht für ein Auskommen, weshalb die Bauern immer noch einen Nebenerwerb hatten. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert war das die für Berchtesgaden typische Herstellung von einfachem Spielzeug oder Schachteln in Heimarbeit. Später arbeiteten die Hofbesitzer als Zimmerleute und Hilfsarbeiter. 1960 errichtete man neben dem alten Wohnhaus einen Neubau und zog in der Folge um.

historische Ansicht von Süden, 1906
historische Ansicht von Süden, 1906

Der Wiederaufbau bis zum Richtfest

Bereits 1993 wurde das kleine Wohnhaus des Marosen-Lehens bei Berchtesgaden abgebaut. In Einzelteilen zerlegt, wartete das historische Gebäude über 25 Jahre im Depot auf den Wiederaufbau. Nun ist es endlich soweit: Der Rohbau steht, das Dach ist eingedeckt, und so konnte im ausgehenden Winter an der Glentleiten Richtfest begangen werden!

Erbaut im Jahr 1592, handelt es sich um eines der ältesten Architekturexponate des Museums. Dementsprechend sorgsam ging man beim Wiederaufbau mit der historischen Bausubstanz um: Wo immer möglich, griffen die Museumshandwerker auf die originalen Bauteile zurück, schadhafte Balken wurden sensibel repariert bzw. ergänzt und nur im Falle eines Totalverlustes komplett ausgetauscht. Eine künstliche Angleichung ist dabei nicht angedacht, vielmehr sollen Besucherinnen und Besucher auch zukünftig Neues von Altem unterscheiden können.

Auch wenn sich das Zwiehof-Wohnhaus ohne Kran und ohne Winterzelt präsentiert, gibt es noch einiges zu tun. Das Gelände und die Wege müssen angepasst bzw. neu angelegt werden, am und im Gebäude selbst stehen noch diverse Verputz- und Malerarbeiten an, ehe die Inneneinrichtung angegangen werden kann. Und schließlich muss noch eine ansprechende Präsentation mit Informationen zum Gebäude konzipiert werden, denn ein Haus mit so reicher Bau- und Bewohnergeschichte hält viele spannende Themen parat.

Am Ende des Wiederaufbaus erwartet Sie ein weiteres spannendes und attraktives Architekturexponat; gleichzeitig vervollständigt das neue Gebäude im Museum die idealtypische Hofanlage eines Berchtesgadener Zwiehofes. Eröffnet wird das Wohnhaus vom Marosen-Lehen voraussichtlich 2021.

Richfest am Marosenlehen
Richfest am Marosenlehen

Endspurt beim Wiederaufbau

Viel hat sich getan am Wohnhaus des Marosen-Lehens im Jahr 2020 und in den ersten Monaten von 2021. Die Bauarbeiten im Außenbereich sind weitgehend abgeschlossen und der Umgriff des Gebäudes hat seine endgültige Gestalt. Auffallend grün präsentiert sich das kleine Häuschen im Museum – genauso wie schon in den 1950er Jahre am alten Standort.

Im Inneren ging es fleißig weiter: Böden wurden verlegt, Wände verputzt und gestrichen und die historischen Elektroleitungen installiert. Im Anschluss daran erhielten originale Einbauten wie Bänke, Regale und Kästchen wieder ihren angestammten Platz. Als letzter Schritt folgte die Montage der Vitrinen, Informationstafeln und Medienstationen.

Das Wohnhaus vom Marosen-Lehen ist seit Ende April 2021 fertiggestellt. Bei Ihrem nächsten Besuch können Sie eintreten!

Ende Februar wird der Hausgarten angelegt
Ende Februar wird der Hausgarten angelegt

Vortrags- und Gesprächsreihe

„Obersalzbergstraße 66“ lautete die einstige Adresse des Wohnhauses vom Marosen-Lehen im Berchtesgadener Land. Diesen Standort in unmittelbarer Nähe zu Hitlers "Berghof" nahm das Freilichtmuseum Glentleiten zum Anlass, um sich mit dem Thema „Erinnerungskultur“ auseinanderzusetzen. Es entstand eine Vortrags- und Gesprächsreihe, die auf dem YouTube-Kanal der Glentleiten für Sie jederzeit abrufbar ist.

Vortrags- und Gesprächsreihe im Einzelnen:

  • Albert Feiber, Dokumentation Obersalzberg: Der Obersalzberg, das Marosen-Lehen und Berchtesgaden. Facetten einer Beziehung (www.youtube.de)
  • Dr. Walter Irlinger, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: „Bauliche Relikte – materielles Erinnern am Obersalzberg“ (www.youtube.de)
  • Dr. Elisabeth Tworek, Kulturabteilung Bezirk Oberbayern: „Tourismus am Vorabend des Nationalsozialismus im Voralpenland“ (www.youtube.de)
  • Prof. Dr. Jörg Skriebeleit, KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, und Ulrich Chaussy, investigativer Journalist und unter anderem Autor des bekannten Buches „Nachbar Hitler“: Gesprächsrunde über Erinnerungskultur heute, ausgehend vom Beispiel Obersalzberg ( www.youtube.de)
  • Bernhard Achhorner, Zentrum für Volksmusik, Literatur und Popularmusik des Bezirks Oberbayern: Volks- und Blasmusik in der NS-Zeit. Zur musikalischen Instrumentalisierung von Heimat, Kultur und Identität in Oberbayern (www.youtube.de)

Die Vorträge wurden im Sommer 2021 aufgezeichnet.