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Utopie Landwirtschaft (bis 12. Juli 2020)

Ein paradiesisches Leben auf dem Land, inmitten harmonischer Natur, Nahrung in Hülle und Fülle ohne Anstrengung – Utopien haben die Menschen zu allen Zeiten bewegt.

Ihre ersten Höhepunkte erlebte die agrarische Utopie im Zeitalter der Aufklärung. Mit dem Aufblühen der Landtechnik in Folge der Industrialisierung eröffneten sich für die utopische Landwirtschaft die großartigsten Perspektiven. Schon bald kursierten Karikaturen, in denen der Bauer bequem auf einem selbstfahrenden Pflug liegt und Zeitung liest. Was damals ironisch aufgegriffen wurde, ist inzwischen teilweise von der Wirklichkeit überholt.

Manche Utopien der Landtechnik endeten in einer Sackgasse, andere – von den Zeitgenossen für illusionär gehalten – wurden über kurz oder lang Stand der Technik. Und wieder andere Entwicklungen kamen nicht einmal den kühnsten Träumern in den Sinn: dass etwa Kühe frei darüber entscheiden würden, wann sie gemolken werden und das auch noch von einem Automaten ohne menschliche Hand.

Visionäre Erwartungen verbanden sich u.a. mit der Einführung „exotischer“ Kulturpflanzen und Nutztiere: Die Zucht von Seidenraupen und Angorakaninchen brachte in Europa jedoch nicht den erhofften Ertrag. Der Anbau von Zuckerrübe, Mais und Sojabohne hingegen wurde zur Erfolgsgeschichte.

Radikal und überaus folgenreich waren Utopien, in deren Zentrum der Traum einer gerechten Verteilung von Grund und Boden stand. So schuf die Forderung nach einer Bauernbefreiung und der kompletten Neuregelung der Eigentumsrechte an Boden erst die Voraussetzungen für die moderne bäuerliche Landwirtschaft. Vorstellungen von einer idealen Agrarstruktur zogen gesellschaftlich-politische Modelle unterschiedlicher Gesinnungen nach sich – vom bäuerlichen Familienbetrieb bis hin zur kollektivierten Landwirtschaft mit zentraler Lenkung.

Zum Albtraum können Utopien werden, wenn versucht wird, ihre Realisierung mit Macht zu erzwingen. Gewaltsam umgesetzte Visionen einer kollektiven Landwirtschaft führten etwa zu gigantischen Hungerkatastrophen in Russland und China. Nicht zu reden von den Opfern der technokratisch durchdachten NS-Utopie einer Eroberung von „Lebensraum im Osten“.

Wie alle Utopien waren und sind auch die agrarischen mit euphorischen Hoffnungen und Erwartungen verbunden, aber ebenso mit Ängsten und Befürchtungen. Von grüner Gentechnik versprechen sich die einen die Überwindung des Hungers auf der Welt, die anderen befürchten irreversible Umweltschäden.

Mittels Fotografien, Schautafeln, Modellen, historischen Exponaten und Filmen erzählt die Ausstellung von Erfolgs- und Irrwegen der Landwirtschaft in den letzten 200 Jahren. Skizziert werden nicht nur gesellschaftliche und soziale Utopien, sondern auch gewagte technische Entwürfe wie riesige Dampfpflüge zur Moorkultivierung oder die Nutzung der Atomenergie zur Hühnerzucht. Und es geht um aktuelle Visionen einer künftigen Agrarwirtschaft und Ernährungsweise. Vom Essen der Zukunft ist die Rede, von den Verheißungen des digitalen „Bauernhofs 4.0“ und von alternativen Utopien bis hin zur Idee einer völlig land- und tierlosen Nahrungserzeugung.

Der Ingolstädter Künstler Thomas Neumaier ergänzt die vielfältigen Themenbereiche mit seinen Arbeiten – absurden Verfremdungen alltäglicher Gegenstände und "nicht realisierten Erfindungen in der Landwirtschaft".