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Sauberkeit zu jeder Zeit – Hygiene auf dem Land

Fotorundgang

Sie können nicht an die Glentleiten kommen? Dann kommen wir mit unserer Ausstellung zu Ihnen!

Die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit - Hygiene auf dem Land" geht der Frage nach, was sauber und hygienisch eigentlich bedeutet. Heute würden wir diese Frage sicher anders beantworten als noch vor 2 Jahren, unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert hatten darauf nochmals einen anderen Blick. 13 Themenbereiche beleuchten verschiedene Aspekte von Sauberkeit und Hygiene auf dem Land in früheren Zeiten.

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Einleitung – Hygiene auf dem Land

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Sauberkeit zu jederzeit

Mehr als einhundert Jahre ist das Zierhandtuch alt, das dieser Ausstellung den Namen gegeben hat. Es wendet sich an die Hausfrau, die für Hygiene in Haushalt und Familie sorgt. Dass sie zu diesem Zweck Bildung genossen hat, ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts. Hygiene war ein Leitbegriff des Zeitalters der Industrialisierung, des rapiden Wachstums der Städte und der Ökonomisierung der Landwirtschaft. Zur Verwirklichung waren alle aufgerufen: der (männliche) Hausvorstand, der Unternehmer und seine leitenden Arbeiter und Angestellten, der Bauer. Politik und öffentliche Verwaltung hatten Sorge zu tragen, dass jedem Bürger Trinkwasser, Ärzte, eine Hebamme und Bildung verfügbar war. Jedes Dorf, jeden Weiler und noch den abgelegensten Bauernhof erreichte der Appell: „Sauberkeit zu jeder Zeit!“ Diese Ausstellung betrachtet die Dinge, die der Sauberkeit bedürfen, und das Werkzeug und Gerät, das diesem Zweck diente und dient. Manche Utensilien der Hygiene sind universell und zweckmäßig bis zur Gegenwart: Bürsten und Besen, Seife und Rasierapparat. Manches hat seinen Platz nur noch im Museum, z. B. der Teppichklopfer und das Waschbrett.

Was ist sauber?

Wozu dient Hygiene? Der Gesundheit und dem Wohlbefinden. Dass Sauberkeit – oder zumindest ihr Anschein – auch Zwecken der Repräsentation dient, öffentlich Eindruck erwecken soll, das ist ein Ziel jüngerer Zeit. Die Höhe einer Zivilisation wird am erreichten Stand der Hygiene gemessen. Körper, Kleidung und Wohnen (Bett, Tisch, Boden) sollen sauber sein, Auto und Haushund sowieso. Nahrung ist rein, keimfrei und unverdorben. Tierische Schädlinge werden abgewehrt, gesundes Vieh ist wertvoll. Ein reinliches Äußeres – die „weiße Weste“ – fördert öffentliche Reputation. Wie wird Hygiene möglich? Durch Fleiß, historisch insbesondere dem häuslichen der Frau. Nachhaltig wird sie befördert durch bauliche, soziale und persönliche Strategie und auf dem Weg öffentlicher Vorsorge. Werkzeuge wie Besen und Bürste, Mittel wie Seife und Sand, technische Einrichtungen wie eine befestigte Miststatt am Bauernhof und Kanalisation in der Stadt mussten erfunden, erprobt, verbessert und ins Werk gesetzt werden. Dennoch, was sauber ist, wird sozial vereinbart, ist geschichtlich wandelbar und individuell geprägt. Der frische Rauch einer Zigarette und der Mief erkalteter Kippen waren einmal Teil der Wirtshauskultur. Sind die schwarz verharzten Hände eines Holzhauers schmutziger als die gefeilten und gebürsteten Nägel des Aktienhändlers? Und was ist mit der Rotznase des geliebten Kindes? Gewiss: Sauberkeit ist relativ.

Landapotheke

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"

Zur Geschichte der Hygiene im Apothekenwesen

Im Apothekenwesen erlangten gezielte Maßnahmen zur Hygiene um 1900 eine größere Bedeutung. Hygiene in der Pharmazie umfasst den gesamten Betriebsablauf. Dieser war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt durch den allmählichen Übergang von im eigenen Betrieb hergestellten Arzneimitteln und der Prüfung ihrer Ausgangsstoffe hin zum Bezug von Fertig-Arzneimitteln (Spezialitäten).

Hygienischer Betriebsablauf

Einer der bedeutendsten Arbeitsvorgänge auch in der Landapotheke war die Sterilisation. Zur Desinfektion mittels Wärmeeinwirkung dienten unter anderem Trockenschrank und Sicherheitskochtopf. Durch spezielle Filterkerzen aus Kieselgur konnte Keimfreiheit für Augenwässer erreicht werden. Eine Neuerung war die Einführung von Ampullen zur sterilen Aufbewahrung von Injektionsflüssigkeiten. Sie wurden zuerst ausschließlich in Apotheken hergestellt.

Trockenschrank nach Fresenius, Dampfsterilisierapparat und Berkefeld-Filter: 
Der Trockenschrank wurde im 19. Jahrhundert durch den Chemiker Carl Remigius Fresenius entwickelt und unter anderem zur Heißluft-Sterilisation von Gegenständen für den Laborbetrieb genutzt. Eine der Öffnungen an der Oberseite diente zur Aufnahme eines Thermometers, die zweite zur Ableitung von Feuchtigkeit. Beheizt wurde der Schrank von unten durch einen Bunsenbrenner.
Der Dampfsterilisierapparat diente der Dampfsterilisation von Arzneistoffen und gehörte Mitte des 20. Jahrhunderts zum Arbeitsgerätebestand aller bayerischen Apothekenlaboratorien.
Der Berkefeld-Filter war Ende des 19. Jahrhunderts von dem Ingenieur Wilhelm Berkefeld entwickelt worden. Im Inneren befindet sich eine Filterkerze aus gebranntem Kieselgur, mit der beispielsweise die Keimfreiheit von Augentropfen sichergestellt werden konnte. Der Filter musste vor jedem Gebrauch gereinigt und sterilisiert werden.
Trockenschrank nach Fresenius, Dampfsterilisierapparat und Berkefeld-Filter: Der Trockenschrank wurde im 19. Jahrhundert durch den Chemiker Carl Remigius Fresenius entwickelt und unter anderem zur Heißluft-Sterilisation von Gegenständen für den Laborbetrieb genutzt. Eine der Öffnungen an der Oberseite diente zur Aufnahme eines Thermometers, die zweite zur Ableitung von Feuchtigkeit. Beheizt wurde der Schrank von unten durch einen Bunsenbrenner. Der Dampfsterilisierapparat diente der Dampfsterilisation von Arzneistoffen und gehörte Mitte des 20. Jahrhunderts zum Arbeitsgerätebestand aller bayerischen Apothekenlaboratorien. Der Berkefeld-Filter war Ende des 19. Jahrhunderts von dem Ingenieur Wilhelm Berkefeld entwickelt worden. Im Inneren befindet sich eine Filterkerze aus gebranntem Kieselgur, mit der beispielsweise die Keimfreiheit von Augentropfen sichergestellt werden konnte. Der Filter musste vor jedem Gebrauch gereinigt und sterilisiert werden.

Trockenschrank nach Fresenius, Dampfsterilisierapparat und Berkefeld-Filter:
Der Trockenschrank wurde im 19. Jahrhundert durch den Chemiker Carl Remigius Fresenius entwickelt und unter anderem zur Heißluft-Sterilisation von Gegenständen für den Laborbetrieb genutzt. Eine der Öffnungen an der Oberseite diente zur Aufnahme eines Thermometers, die zweite zur Ableitung von Feuchtigkeit. Beheizt wurde der Schrank von unten durch einen Bunsenbrenner.
Der Dampfsterilisierapparat diente der Dampfsterilisation von Arzneistoffen und gehörte Mitte des 20. Jahrhunderts zum Arbeitsgerätebestand aller bayerischen Apothekenlaboratorien.
Der Berkefeld-Filter war Ende des 19. Jahrhunderts von dem Ingenieur Wilhelm Berkefeld entwickelt worden. Im Inneren befindet sich eine Filterkerze aus gebranntem Kieselgur, mit der beispielsweise die Keimfreiheit von Augentropfen sichergestellt werden konnte. Der Filter musste vor jedem Gebrauch gereinigt und sterilisiert werden.

Antiseptika und Desinfektionsmittel

In den Apotheken wurde zudem eine Reihe von selbst hergestellten oder fertig bezogenen Antiseptika, Desinfektionsmitteln und sterilen Krankenpflegeartikeln bevorratet und abgegeben.

Krankenpflegeartikel

Verbandsmaterial musste einem Sterilisationsverfahren unterworfen werden, teilweise wurden auch Desinfektionsmittel wie Salicylsäure oder Iodoform zugesetzt. Auch die bei Operationen verwendete chirurgische Nähseide musste sterilisiert werden.

Nebensortiment

Apotheken, besonders Landapotheken, hatten ein umfangreiches Nebensortiment, das dem Apotheker das Auskommen sicherte. Zu diesem Angebot gehörten auch Reinigungsmittel wie Schmierseife, Kernseife und verschiedene Toilettenseifen.

Von Gesundheit und Schönheit

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Körperpflege auf dem Land

Glaubt man Berichten von Amtsärzten des 19. Jahrhunderts, kamen die Körper der älteren Menschen mit Wasser kaum in Berührung. Nur Kinder und Jugendliche badeten zum Vergnügen in Bächen und Flüssen. Die Theorie, dass durch die beim Baden geöffneten Poren ungesunde Dämpfe in den Körper eintreten könnten, wurde jedoch allmählich aufgegeben. Stattdessen setzte sich die Vorstellung durch, dass der Schweiß ungesunde Stoffe aus dem Körper heraustreibe und somit die Öffnung der Poren nötig sei.

Damit gewann auch auf dem Land Körperpflege an Bedeutung. Kinder lernten die neuen Anforderungen in der Schule. Den Erwachsenen wurde die Notwendigkeit von Körperpflege in den landwirtschaftlichen Bildungsstätten vermittelt.

Körperpflege war zunächst eine zeitraubende Angelegenheit. Wasser musste herbeigeschleppt und anschließend wieder entsorgt werden. Handtücher und Waschlappen mussten gewaschen und Seife aus tierischem Talg gekocht werden.

Körperpflege wurde müheloser, als das Badezimmer in die Häuser Einzug hielt.  Warmwasser kommt nun aus dem Hahn und Schmutzwasser wird durch einen Abfluss entsorgt. Das Badezimmer wurde zu einem Wohlfühlort, in dem man nicht nur seine Gesundheit, sondern auch seine Schönheit pflegen kann. Neue Produkte vermittelten den Konsumenten, dass sie selbst für ihre Gesundheit und Schönheit verantwortlich seien.

Heute warnen Hautärzte vor übertriebener Hygiene: Der Körper soll selbstständig Abwehrkräfte entwickeln, was ihm nur durch den Kontakt mit Keimen und Bakterien gelingen kann.

Montag Waschtag

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Der Waschplatz

Reines Wasser für die Wäsche wurde vom Fließbrunnen geholt oder aus einem Tiefbrunnen geschöpft. Gefasst und getragen wurde das Wasser in Eimern aus Holz oder Blech, über kurze Strecken mit den Händen, über weitere Distanz eingehängt an Traghölzern auf den Schultern der Wäscherin.

Kaltes Wasser löst Schmutz geringer als warmes Wasser, heißes Wasser tötet Ungeziefer und Keime in der Wäsche ab. Deshalb wird zur Textilwäsche Wasser erwärmt. Das geschah über lange Zeit in Kesseln aus Metall über offenem Feuer oder auf einer Herdplatte. In den Jahrzehnten vor der Einführung der elektrischen Waschmaschine wurden industriell gefertigte Waschkessel verwendet. Lange zuvor hatten viele Gemeinden bereits Waschplätze bei den öffentlichen Brunnen erbaut. Dort wurde die Wäsche in kaltem Wasser eingeweicht und auf den Steinbänken gebürstet. Die weitere Arbeit mit heißem Wasser geschah im privaten Raum. Zum Spülen wurde die nasse Wäsche in Zubern, Wannen und Körben erneut zum Waschplatz oder an ein Gewässer geschafft. Zum Einweichen der Wäsche wurde Aschenlauge angesetzt. Dazu wird reine, rußfreie Holzasche in Wasser aufgekocht. Die entstehende leichte Kali-Lauge wirkt schmutz- und fettlösend. Seife wurde aus Rindertalg hergestellt. Die Prozedur des Kochens mit Natronlauge, des Spaltens mit Kochsalz, des Trocknens und Formens wurde gewöhnlich nicht im häuslichen Bereich durchgeführt. Feinseife und die aus minderen tierischen Fetten (Unschlitt) gewonnene Kernseife wurden im Stück gekauft. In Notzeiten wurde das Fett der Tierknochen zur Seifengewinnung ausgekocht.


Immer Waschtag

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Die Waschküche und die Maschinen

Eine eigene Waschküche mit Kessel, Wannen und Waschtisch war Wunsch jeder ländlichen Hausfrau. Dort auch fließendes Wasser zu haben, war fast Luxus. Auch dann war ein Waschtag noch harte Arbeit, aber Zeitaufwand, Tragen und Heben reduzierten sich dadurch erheblich. Das vielfache Tragen und Heben, Lauge an den Händen, das Stehen in der Nässe, häufig auch Verbrühungen belasteten die Frauen körperlich stark. Zur großen Wäsche wurde deshalb nach Möglichkeit Hilfe herangezogen: Altenteilerinnen und Töchter mussten zur Hand gehen und Tagelöhnerinnen wurden bestellt.

Die Ausstattung einer Waschküche war: ein fester Boden, von dem verschüttetes Wasser abfließen konnte, abwaschbare Wände und eine feste Decke, die keine Feuchte aus dem Dampf der Kessel und Wannen aufsogen, am Boden lose Holzroste, die zum Trocknen hochgestellt werden konnten. Der Waschkessel wurde mit Holz geheizt. Ein hölzerner Waschtisch stand an einem großen Fenster, auf hölzernen Böcken standen Wannen zum Einweichen, zum Einstellen der Rumpel und zum Spülen bereit. Frisches Wasser wurde direkt in die Waschküche geleitet, unmittelbar davor war ein Wäschegarten eingerichtet. Wasch- und Trockengeräte haben das Wäschewaschen erleichtert. Aber es wurde Standard, öfter frische Kleidung zu tragen. In früherer Zeit war Montag der gewöhnliche Waschtag, der viele Stunden in Anspruch nahm und öffentlich wahrgenommen wurde. Nun wird an wechselnden Tagen in privatem Raum „eine Maschine eingeschaltet“.

Frisörsalon

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"

Irmengard Stöckle machte 1961 ihre Meisterprüfung als Herrenfriseurin. Sie schnitt den Männern die Haare und rasierte sie. Trotz aller hygienischen Vorkehrungen, wie etwa dem Desinfektionsapparat für die Klingen, zog sie sich – wie viele andere Friseure auch – eine schwere Infektion mit Hepatitis B zu und war monatelang krank.

Essbares zu jeder Zeit

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Lebensmittelkonservierung und -hygiene

Viele Haushalte produzierten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein einen Teil ihrer Nahrung selbst. Frische Lebensmittel standen ihnen nur zeitweise, etwa an Schlachttagen oder während der Erntesaison, in großen Mengen zur Verfügung. Diese Lebensmittel waren zugleich Vorräte für den Rest des Jahres.

Unbehandelt können frische Lebensmittel jedoch nur kurze Zeit aufbewahrt und verspeist werden. Danach setzen Zerfallsprozesse ein, die sie verderben und ungenießbar machen. Diesen Zerfall unterband man mit einfachen Konservierungsmethoden: Man entzog den Lebensmitteln Feuchtigkeit oder lagerte sie unter Abschluss von Luft. So blieben sie mehrere Monate essbar.

Der moderne Hygienegedanke veränderte die Konservierungsmethoden. Man erkannte, dass für das Verderben der Lebensmittel Schimmelpilze und Bakterien verantwortlich waren. Diese wurden in neuen Verfahren wie der Hitzesterilisation gezielt abgetötet. Durch Fortschritte in der Kühl- und Gefriertechnik konnte Nahrung zudem lange frisch aufbewahrt werden. Alte Konservierungsmethoden wurden so obsolet.

Ein wichtiger Bestandteil der Lebensmittelhygiene und -konservierung war und ist auch die Abwehr der Vorratsschädlinge: Insekten und Nagetiere fressen Nahrungsmittel an und verunreinigen sie mit Krankheitserregern. Dadurch werden sie zur Gefahr für die menschliche Gesundheit. Als Gegenmaßnahme lagert man Nahrungsmittel in gesicherten Räumen oder Behältern. Zudem geht man mit Fallen und Gift gegen die Schädlinge vor.

Küche

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Ort der täglichen Rauchvergiftung

Die Küche war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der am stärksten vernachlässigte Raum im Bauernhaus und der ungesündeste Arbeitsplatz. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein kochte man im Sommer auf der offenen Herdstelle – im Winter im Hinterladerofen. In beiden Fällen zog der Rauch des Holzfeuers frei durch den Raum und durch den offenen Schlot ab. Der geschlossene Schlot oder russische Kamin war ein entscheidender Fortschritt, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts überall durchgesetzt hatte. Gekocht wurde jetzt auf Sparherden mit herausnehmbaren Herdringen und einem Wasserschiff.

In offenen Regalen und Kammbrettern verstaute man alles, was täglich zum Kochen und Abwaschen gebraucht wurde: Töpfe, Schüsseln, Pfannen, Krüge, Flaschen, Tassen. Da sich in der Küche meistens der einzige Wasseranschluss des Hauses befand, wusch man sich auch dort. Und weil sie neben der Stube der einzige beheizbare Raum im Haus war, stand hier außerdem der Küchentisch, an dem man täglich die Mahlzeiten einnahm. Bis sich Küchenmöbel im heutigen Sinn durchgesetzt hatten, dauerte es in den Landhaushalten bis in die 1960er Jahre.

Entscheidende Anstöße lieferten auf dem Land die sogenannten Hauswirtschaftsschulen. Die Schülerinnen – meist entstammten sie bäuerlichen Haushalten – wurden semesterweise u. a. in den Fächern Arbeitswirtschaft, Vorratswirtschaft, Gesundheits- und Körperpflege unterrichtet. Hauptbestandteile der Ausbildung waren die Unterweisung in Hygienefragen im Umgang mit Lebensmitteln und das Kochen.

Schonen – Wechseln – Sauberhalten

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit!""
Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit!""

Über den Umgang mit der Kleidung

Was wir heute mit Hilfe moderner Waschvollautomaten und Waschmittel erledigen, war früher Schwerstarbeit für die Frauen auf dem Land. Aber nicht nur deshalb wusch man möglichst selten: Das Bürsten, Wringen und Kochen in der Waschlauge verringerte die Lebensdauer der Gewebe enorm.

Textilien waren teuer, sogar die aus Leinen und Hanf hergestellte Leibwäsche und Arbeitskleidung. Um 1600 entsprachen sechs „Mannshemden“ etwa dem Wert einer Kuh. Gerade bei der ärmeren Bevölkerung herrschte noch im 19. Jahrhundert ein eklatanter Mangel an Kleidung – eine Tatsache, die sich auf deren hygienischen Zustand auswirkte.

Viele Kleidungsstücke, vor allem solche für die Sonn- und Feiertage, konnten wegen der Materialien und Machart jedoch überhaupt nicht gewaschen werden. Dies erforderte einen besonders schonenden Umgang und sorgsame Pflege. Vor äußerlichem Schmutz schützten Schürzen und Kittel, die Verunreinigungen des Körpers nahm die waschbare Leibwäsche auf. Entscheidend war auch, je nach Anlass und Arbeit die Kleidung zu wechseln und nur die jeweils vorgesehene Montur zu tragen.

Diese Regeln vom „Schonen – Wechseln – Sauberhalten“ prägten den Umgang mit der Kleidung bis weit ins 20. Jahrhundert. Das änderte sich, als das Waschen zu einer Tätigkeit wurde, die jederzeit und beliebig oft erledigt werden kann. Pflegeleichte und preisgünstige Textilien füllen heute unsere Schränke und erlauben es, sogar mehrmals täglich „etwas Frisches“ anzuziehen. Der Umgang mit der Kleidung und unsere Vorstellungen von Kleiderhygiene haben sich grundlegend gewandelt.

Brennpunkt Bett

Hygiene rund ums Schlafen

Bereits seit dem 18. Jahrhundert beschreiben medizinische Abhandlungen die optimale, gesundheitsfördernde Ausgestaltung des Schlafzimmers. Es sollte geräumig, mäßig temperiert, frei von Zugluft, Nässe und übelriechenden Ausdünstungen sein. Die Bettwäsche sollte täglich gelüftet, regelmäßig gewaschen und die Füllung des Bettstrohsackes mehrfach im Jahr ausgetauscht werden. Diese Idealvorstellungen entsprachen aber bis weit in das 19. Jahrhundert hinein keineswegs den realen Zuständen in den ländlichen Schlafkammern. Die geforderten Reinigungsintervalle wurden kaum eingehalten, so dass sich Ungeziefer vor allem im Bettzeug einnisten konnte. Häufig wurden die Räume multifunktional genutzt: So schliefen meist mehrere Personen in ihnen, man bewahrte dort Kleidung und Wertgegenstände auf, und sie dienten auch als Lagerort von Lebensmitteln. Vor allem Knechte und Mägde nächtigten teils sogar im Stall oder in einfachsten Kammern. In kaum einem Schlafraum fehlte jedoch der Nachttopf. So vermied man nachts den Gang in den Stall, auf den Mist oder auf das Plumpsklo. Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Kammern oft auch mit Waschgarnituren, mindestens bestehend aus Waschschüssel und Wasserkanne, ausgestattet. Die individuelle, den Blicken der meisten anderen Hausbewohner entzogene Morgen bzw. Abendwäsche war nun möglich. Religiöser Wandschmuck in den Schlafkammern, etwa Herz-Jesu- und Herz-Mariä-Darstellungen oder Schutzengel-Motive, diente der persönlichen Andacht und der „seelischen Hygiene“.

Badhäuser auf dem Land

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Das Badhaus aus Wendelstein im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim

Der Gebäudetyp des historischen Badhauses beschäftigt die Haus- und Bauforschung schon seit den 1980er Jahren. Galten Badhäuser zunächst als ein vorwiegend städtisches Phänomen, so wurde zuletzt immer deutlicher, dass sie in Süddeutschland auch im ländlichen Raum verbreitet gewesen sind, also in vielen Märkten und Dörfern gleichsam zum Standartprogramm gehört haben.

Das 1450 errichtete Badhaus aus Wendelstein, einer südlich von Nürnberg gelegenen Ortschaft, ist eines der deutschlandweit besterhaltenen spätmittelalterlichen Badhäuser. Es wird bis 2022 im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim wiederaufgebaut.

Dieses Badhaus beherbergte in seinem massiven Erdgeschoss die Räume für den Badbetrieb, im Ober- und Dachgeschoss waren Wohnungen für Beständner (Mieter) untergebracht. Auch die Bader selbst lebten zeitweise in einer dieser Wohnungen. Im Erdgeschoss zeigt sich die für spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Badhäuser übliche Raumstruktur. Unmittelbar rechts des Eingangs liegt die mit einem Kachelofen beheizbare Abziehstube, die als Umkleide für die Badegäste genutzt wurde. Die Brennkammer war die Heizzentrale des Badhauses: Von hier aus wurde der Kachelofen in der Abziehstube wie auch der Badofen in der Badstube befeuert, außerdem wurde dort in einem großen Kessel Wasser erhitzt, unter anderem für Wannenbäder.

Die eigentliche Badstube, die den gesamten hinteren Teil des Erdgeschosses einnimmt, wird dominiert vom großen Badofen. Wie für andere Badstuben im süddeutschen Raum ist auch für Wendelstein eine Raumteilung der Badstube anzunehmen, hier ausgeführt als Holzständerkonstruktion. Möglicherweise entstand so ein eigener Bereich für Wannenbäder, während um den Ofen herum geschwitzt wurde.

Wolher ins Bad Reich vnde Arm

Öffentliche Badhäuser im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit

Ertönte der Ruf des Baders und sahen die Menschen in spätmittelalterlichen Städten und Dörfern, dass an einem Ausleger am Badhaus ein Badehut oder Badequast ausgehängt war, so wussten sie: Die Badstube ist geputzt, die Öfen sind geheizt, alles ist bereit für den Badetag. Sie strömten herbei, um Schwitz – oder Wannenbäder zu nehmen, und auch um sich schröpfen zu lassen.

Ähnlich wie Mühlen oder Gasthäuser waren Badhäuser privilegierte Einrichtungen, sie durften daher nur mit obrigkeitlicher Genehmigung, der sogenannten Badstubengerechtigkeit, betrieben werden. Mit ihr waren für den Bader Rechte und Pflichten verbunden. So musste er eine bestimmte Anzahl an Badetagen pro Woche abhalten, unterstützt von Badeknechten und –mägden. Konkurrenz erwuchs im durch privat unterhaltene Badestuben, im bürgerlichen wie im bäuerlichen Umfeld.

Die öffentlichen Badhäuser waren wichtige soziale Treffpunkte, vor allem aber ein Ort der Hygiene – und als solche nicht nur Ort der Sauberkeit oder Körperpflege, sondern im Sinne des antiken Hygienebegriffs Orte einer umfassenden Gesundheitspflege. Prägend für das damalige Verständnis von Gesundheit und Krankheit war die Säftelehre: Vereinfacht ausgedrückt bedeutete ein Gleichgewicht der vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle Gesundheit.

Ausnahmezustand als Routine

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"

Das Hebammenwesen auf dem Land

Die ländliche Hausgeburt lag in den Händen von Hebammen: Sie wurden gerufen, wenn sich eine Geburt ankündigte. Weil es lebensnotwendig sein konnte, sie schnell zu erreichen, gehörte der Haushalt einer Landhebamme oft zu den ersten des Dorfes, die über einen Telefonanschluss verfügten. Sonst musste sie von einem Boten, etwa dem werdenden Vater oder einem Kind, zu Fuß oder mit einem Fuhrwerk abgeholt und zum Haus der Kreißenden gebracht werden. In vielen Gemeinden war sie auch die erste Frau mit einem motorisierten Fahrzeug – meist ein Moped. Bei sich führte sie stets ihren Hebammenkoffer, in dem alle erforderlichen Utensilien griffbereit sortiert waren.

Für gewöhnlich erfolgte die Geburt in der Schlafkammer, nur bei großer Kälte im Winter zog man sich in die beheizte Stube zurück. Zur Unterstützung waren häufig Nachbarinnen oder weibliche Verwandte anwesend. Die Hebamme organisierte vor Ort saubere Tücher und heißes Wasser, das unter anderem zur Reinigung der Hände und zur Sterilisierung der Instrumente verwendet wurde. Sie führte durch den Geburtsvorgang, leistete die Erstversorgung von Kind und Mutter und half beim Stillen des Neugeborenen. Anschließend kam die Hebamme zu regelmäßigen Nachsorgeterminen, bei denen sie die Genesung der Wöchnerin ebenso überwachte wie die Entwicklung des Säuglings. Zudem stand sie den Eltern in Fragen zu Hygiene und Sexualität beratend zur Seite. Und auch nach dem Ende des Wochenbettes blieb die Landhebamme – insbesondere hinsichtlich Frauenkrankheiten und Kinderpflege – eine wichtige Vertrauensperson.

Saustall!

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Menschliche Notizen zur tierischen Hygiene

Das Tier ist von Natur aus ein hygienisches Wesen. Die „Tierhygiene“ dagegen ist eine Erfindung des Menschen. Der Begriff kam als Lehrinhalt an den Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden veterinärmedizinischen Hochschulen auf.

Aus dem freien Tier hat der Mensch das abhängige Vieh gemacht, ein Hygiene-bedürftiges Wesen. Die natürlichsten Lebensäußerungen wurden damit zu einer Aufgabe menschlicher Fürsorge. Wo das Vieh im Stall steht, muss der Mensch die Entsorgung der Exkremente übernehmen. Wo es früher in freier Wildbahn und noch beim Weidegang seine Klauen und Hufe abnutzen und sein Fell von Schmutz und Parasiten freihalten konnte, braucht es jetzt die helfende menschliche Hand.

Die Milch, ehedem unverderblich verpackte Nahrung der Jungtiere, wird zum Lebensmittel für Menschen – und damit zum prekären Objekt der Nahrungshygiene. Und das tote Tier, ursprünglich rückstandslos verwertet von Fressfeinden und Mikroorganismen, wird gar zu einem Hauptgegenstand menschlicher Ernährung – was ein massives Interesse an der Gesundheit des verzehrten Tiers und der Hygiene beim Schlachten nach sich zieht.

Das Vieh ist „Kapital“ des Bauern, ein bedeutender Teil seines Vermögens und wichtiger Produktionsfaktor. Krankes Vieh bedeutet wirtschaftlichen Schaden, im seuchenhaften Ausmaß eine ökonomische Katastrophe – und ein massives Gesundheitsproblem für die Menschen, die in enger räumlicher Nähe zum Vieh leben. Selbst die Entsorgung des verendeten Tieres wird so zu einer zivilisatorischen Herausforderung der Hygiene, die einen eigenen Berufsstand ernährt.

Vom Abtritt zur Abfuhr

Fotorundgang durch die Sonderausstellung "Sauberkeit zu jeder Zeit"
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Wann wurde aus dem Abfall der Müll?

Alle Lebewesen, auch die Pflanzen, hinterlassen Material, das für ihren Unterhalt vorerst nicht gebraucht wird. Das meiste verwandelt sich im Laufe der Jahreszeiten auf organischem Wege. Was bleibt übrig? Was häuft sich an? Was muss entsorgt werden?

Wandert der Mensch, so braucht er sich keine Gedanken darüber machen, wo er Kot und Nahrungsreste liegen lässt. Macht er sich aber sesshaft und wächst seine Gruppe, werden Methoden nötig, den Lebensbereich sauber zu halten. Der Abfall aus Haus und Stall war meist eine begehrte, nutzbringende Materie. Beim Ausmisten, Nahrungbereiten, Kehren und Spülen gelangen Überreste in den Energiekreislauf zurück.

Wohl dem Stadtbewohner, der sein heimliches Gemach, den Aborterker über dem Bach errichten konnte oder der eigene Wirtschaftsflächen in der Nähe besaß, um Dünger dort auszubringen. War das nicht möglich, mussten Latrinen angelegt werden. Oder man füllte einen trockengefallenen Brunnen auf. Die Überreste an solchen Orten geben dementsprechend einen guten Einblick in die Gewohnheiten früherer Menschen.

Heute bleiben viel mehr Rest-, Schad-, oder Wertstoffe zurück. Vorreiter für die derzeitige Polymer-Chemie war die Gummi-Industrie. Die Erfindung und industrielle Herstellung synthetischer Stoffe führte im 20. Jahrhundert zu einer immensen Anhäufung nicht reversibler Überreste. Die alten Methoden der Kompostierung funktionierten nicht mehr. Viele Kunststoffe wurden einfach im Ofen verbrannt – bis das Bewusstsein für neue, durch die Verbrennung entstehende Schadstoffe erwachte.

Jauchefass (um 1950) und Normmüllbehälter aus Stahlblech (um 1960). Das 150-Liter-Fass wurde auf einem Handwagen in einem Kleinstbauernhof in Förschendorf im Frankenwald benutzt. Der Normmüllbehälter fasste 50 Liter. Mit dem runden, abgenutzten Knauf in der Mitte des Deckels konnte der Behälter schräg gehalten und über die Bodenkante vorwärts gerollt werden.
Jauchefass (um 1950) und Normmüllbehälter aus Stahlblech (um 1960). Das 150-Liter-Fass wurde auf einem Handwagen in einem Kleinstbauernhof in Förschendorf im Frankenwald benutzt. Der Normmüllbehälter fasste 50 Liter. Mit dem runden, abgenutzten Knauf in der Mitte des Deckels konnte der Behälter schräg gehalten und über die Bodenkante vorwärts gerollt werden.
Jauchefass (um 1950) und Normmüllbehälter aus Stahlblech (um 1960). Das 150-Liter-Fass wurde auf einem Handwagen in einem Kleinstbauernhof in Förschendorf im Frankenwald benutzt. Der Normmüllbehälter fasste 50 Liter. Mit dem runden, abgenutzten Knauf in der Mitte des Deckels konnte der Behälter schräg gehalten und über die Bodenkante vorwärts gerollt werden.